Energiespeicher, Bedarfsschätzung

Was muss sich ändern, um durch die Dunkelflaute zu kommen? Grundlage: (c) energy-charts.de

Beim Blick auf die installierten Kraftwerkskapazitäten fällt auf, dass beispielsweise im Jahr 2010 die Gaskraftwerke eine Maximallast von über 24 GW gefahren sind – das entsprach damals im Wesentlichen auch der installierten Maximalleistung. Sie wurden also zumindest stundenweise zu fast 100% ausgelastet.

Die Situation 2020 stellt sich ganz anders dar: Zwar ist die installiere Maximalleistung auf ca. 30 GW gestiegen, aber die Maximallast liegt wie auch die letzten Jahre nicht höher als 11,5 GW. Zwar haben sich in den letzten 2 Jahren die Arbeitsstunden aufgrund steigender CO2-Zertifikatspreise und fallender Gaspreise zu Lasten der dreckigeren Kohlkraftwerke erhöht – aber von Maximallast sind die Gaskraftwerke meilenweit entfernt.

Das heißt, wir haben aktuell einen Erzeugerpuffer von ca. 18 GW, den wir seit Jahren nicht nutzen.

Was brauchen wir denn eigentlich an Leistung aus Energiespeichern?

Beispielrechnung:

An schlechten Tagen (dunkel, windstill, wenig Wasser zur Stromerzeugung) haben wir mit Biomasse, Wasserkraft und Restwind ca. 7GW.

Hinzu kommen oben genannte 30 GW über Gaskraftwerke.

Der inländische Netto-Bedarf liegt in exportbereinigten Spitzen bei max. 74 GW – wie es der Zufall will, also bei genau dem doppelten der verfügbaren Last im worst-case.

Zur Verfügung stehen in den morgendlichen und abendlichen Spitzen vor&nach Sonnenuntergang maximal (laut Einzeldaten bei wikipedia ca. 6,5 GW, laut energy-charts ca. 9,8 GW) Pumpspeicher, die jedoch in der Praxis scheinbar nicht mehr als 6 GW belastet werden.

Es gibt eine umfangreiche Liste von 11 in Planung befindlichen Anlagen (ca. 3,2 GW) sowie 9 aufgegebene Projekte mit 5,5 GW. Diese ca. 8,7 GW könnten trotz aller Eingriffe in Naturräume also bereits ein knappes Viertel der benötigten Energiespeicher stellen.

EXKURS neue Pumspeicherwerke

Hinzu kommen noch nicht projektierte Pumpspeicherwerke unter Einbeziehung bestehender kleiner Wasserkraftwerke an Talsperren (die ohnehin bereits gebaut sind). So ließe sich mit überschaubarem Aufwand für ein vergleichsweise kleines zweites Becken eine variable Kapazität von einigen GW erzeugen. Im Erzgebirge beispielsweise haben alle bestehenden Talsperren in unmittelbarer Nähe geeignete Standorte für ein zweites Becken mit oftmals >200m Höhendifferenz – aber keines davon hat bislang ein Pumpspeicherwerk. Das betrifft mindestens 20 Talsperren – selbst mit kleinen 0,1 GW pro Anlage wären so 2 GW möglich. In den potentialreicheren Bundesländern Bayern, BaWü, Thüringen, Rheinl.Pf., Hessen, Saarland dürften insgesamt 20 GW zusammenkommen (in Gesamtrechnung NICHT inkludiert).

Diese Speicher brauchen aber natürlich eine Chance, neben einer solaren Aufladung tagsüber auch nachts wieder gefüllt zu werden. Und obwohl eine Dunkelflaute in der Realität längst nicht so ausgeprägt vorkommt wie von den Angstmachern propagiert, rechnen wir mal eine durch:

In den Nachtstunden brauchen wir 52-55 GW von 24-4 Uhr und in den Stunden davor und danach gehen die Verbräuche sehr schnell hoch bzw. runter. In Summe sollte eine Erzeugerkapazität von 60 GW aber ausreichen, um alle Speicher wieder zu füllen. Obige 30 GW + 7 GW vorhandene Leistung abgezogen, ergibt sich ein Bedarf von zusätzlichen 23 GW neuen Gaskraftwerken oder importierter bzw. elektrisch gespeicherter Strom in Höhe von 150 GWh. Zum Vergleich: Das entspricht ca. 3.000.000 ausrangierter Tesla Model S Akkus.

Wie lange herrscht eigentlich Dunkelflaute? Obiger Worst-Case von nur 7 GW Restlast tritt nur stundenweise auf.

Der 23.01.2020 war mit Abstand der schlimmste Tag diesen Jahres mit nur 20,1% regenerativ erzeugter Energie. Die Tage davor und danach lagen mindestens 30% höher, also bei über 26%. Es hätte dabei ausgereicht, einen Akkupuffer von ca. 70 GWh zu haben, und zusätzliche Gaskraftwerke von 10 GW Leistung. Damit ist zumindest die Dunkelflaute im Strommarkt mal überstanden.

Kommen die Implikationen aus der Primärenergiewende hinzu: An solchen Tagen kann natürlich keine P2x Anlage laufen, Elektrofahrzeuge werden nur so wenig geladen wie nötig (aber der Verbrauch läge trotzdem bei ca. 200-300 GWh), Wärmeverbraucher müssen weitestgehend aus einem Puffer oder mittels Spitzenlastkessel arbeiten (wöllten aber in der Dunkelfaute ohne Zusatzfeuerung eigentlich auch 500-1.000 GWh Strom haben).

Das heißt, wir brauchen für solche Extremfälle eine Erdgas-Erzeugungsreserve von nochmal ca. 20 GW zusätzlich zur Deckung der Dunkelflaute im Strommarkt. Insgesamt also 30 GW mehr und damit eine Verdopplung zu heute. Und die elektrischen Speicher von >100 GWh sind auch eine gute Idee.

Fazit:

Wir brauchen Ersatzkraftwerke für den Notfall:

Alle in Planung befindlichen Pumpspeicherwerke, alle verworfenen Pumpspeicherwerke und am besten noch einige der potentiell neuen Standorte bzw. ein Repowering bestehender Wasserkraftwerke, um Spitzenlast statt Grundlast zu liefern.

In Abhängigkeit des Erfolgs der Wasserkraftspeicher braucht es eine Verdopplung unser Gaskraftwerkparks (+ 30 GW) und ein Batteriespeicher in Größenordnung von 2 Mio. ausgedienten (großen) PKW-Akkus.

Dafür können wir alle anderen konventionellen Kraftwerke stilllegen:

43 GW Kohle, 8 GW Kernkraft, 4 GW Ölkraftwerke.

Klingt nach einem guten Deal, oder?

1 Ping

  1. […] meiner Abschätzung zur Speichergröße bei Duntelflaute hatte ich mir den 23.01. als schwächsten Tag der EE-Erzeugung ausgewählt. Dort […]

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.